Samstag, 22. März 2008

DER Brief

Freitag sollte er kommen. Das Gefühl, dass die Ergebnisse seit Sonntag feststanden und man nichts mehr daran ändern konnte war grauenvoll. Phasen wechselnd zwischen Resignation, Optimismus aber vor allem Pessimismus. Man könnte wirklich meinen es gäbe dramatischeres, aber so ist es halt wenn man einen großen Wunsch hat.
Es kam wie es kommen musste und ich lag die Woche mit Rachenentzündung im Bett und hatte genug Zeit um an DEN Brief zu denken und nicht sonderlich viel was mich ablenkte. Freitag war es schließlich so weit. Ich hörte wie die Postbotin die Briefe in die Schlitze einwarf und es kribbelte unaufhörlich in meiner Magengegend. Aber ich war schon spät dran und musste noch zum Arzt, bei dem ich nicht mit Gefühlsausbrüchen, insbesondere negative glänzen wollte.
Ich schlich aus der Tür heraus und warf einen zaghaften Blick in den Briefkasten. DA WAR ER.
Aber das musste waren. Eine halbe Stunde später, ich bin fast gestorben vor Aufregung, drehte ich den Schlüssel und nahm DEN Brief entgegen.
Er durfte nicht zu dick sein, aber groß, aber auch nicht zu dünn. Es existierten vielerlei Vorstellungen. Ok, noch einmal tief durchatmen. Ich riss den Briefumschlag ohne Erbarmen auseinander und las: "Herzlichen Glückwunsch" ... Herzlichen Glückwunsch? Haben die sich geirrt. Zum Glück, dass zu dieser Zeit niemand im Haus war und wir im Erdgeschoss wohnen. Denn ich hüpfte und schrie so laut, dass meine Katze mich verstört anguckte und flüchtete. Meiner Rachenentzündung ging es auch gleich viel besser. Ich las weiter. "Bosnien-Herzegowina" Ich konnte mein Glück nicht fassen. Ich würde 2 Jahre am United World College in Mostar verbringen.

Freitag, 21. März 2008

Das AWW

Endlich war es soweit! Ich hatte 2 Wochen Winterferien genossen, meinen Vortrag ausgearbeitet den wir in einer Gruppe mit anschließender Diskussion halten sollten und mich mental auf das Auswahlwochenende vorbereitet.
5.00, waaah, mein penetranter Handywecker riss mich aus meinen Träumen, anders als während der Schulzeit stand ich in meinem Bett und hatte keine Probleme aufzustehen. Auf ging es Richtung Hauptbahnhof, wo ich mich mit Henni (aus Halle) die mit mir monatelang mitgefiebert hat traf. Da wussten wir noch nicht, was uns bevorstand, wir stiegen in den ICE nach Frankfurt ein und freuten uns auf das geplante Treffen bei Starbucks mit den anderen Bewerbern.
Als wir es uns gerade bequem gemacht hatten ertönte eine Ansage:" Auf Grund von technischen Störungen fällt dieser Zug ersatzlos aus!" Mein Herz sank in die Hose. Hallo ? Hallooooo? Einmal soll die DB mich pünktlich an ein Ziel bringen und der Zug fällt ersatzlos aus! Wie können sie mir das nur antun?! Naja, im Gegensatz zu den Leuten die ihren Flieger in Frankfurt bekommen mussten war das alles halb so wild. Wir fuhren mit dem Zug, der eine Stunde später kam, verpassten unser Starbuckstreffen, aber wenigstens gönnten wir uns bei Coffee Culture noch einen Crunchy Munchy Moccha und einen Nuß Macchiato. Trotzdem dachte ich mir, dass das wohl ein schlechtes Omen sein musste.
Die anderen warteten geduldig auf uns und wir stiegen zusammen in die S-Bahn nach Bad Homburg. Angekommen in der supermodernen Jugendherberge (das Essen war echt super!) erhielten wir Namensschilder, unsere Zeitpläne und eine freundliche Begrüßung in der Mensa. Es war echt total spannend, weil man viele Leute schon von Bildern bei schuelervz kannte und mit ihnen wie die Weltmeister im ATS-Forum geschrieben hatte.
Und schon begann die erste Gruppendiskussion. Wir hörten einen super Vortrag über Frauenquotierung und die Diskussion lief auch wie ganz von selbst. Es folgte das erste Einzelgespräch. Oh man, ich war sooooooooo aufgeregt, boah ich zitterte total und ich glaub meine Grammatik in den Sätzen war echt furchterregend.
"Schieß mal los: Was sollte ich über dich wissen?", war die erste Frage. Ich redete so schnell wie ein Wasserfall, oh man. "Du willst Medizin studieren und in die Forschung gehen ? Warum willst du den so einen unpersönlichen Job machen?" Gute Frage, über sowas hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht, das war halt der Beruf, der mich faszinierte! Nächste Frage:"Du hast doch diese Brieffreundschaft mit dem Todestraktinsassen in Sambia?! Glaubst du ihm denn was er schreibt? Er kann ja sonst was behaupten!", "Glaubst du also er sitzt zu unrecht im Gefängnis, wenn er so eine herzliche Person ist?" Das Gespräch lief ziemlich gut, es gab einige provokante Fragen aber es war nicht wie in einer Prüfung.
Das tollste folgte abends. Die Bastelaufgabe. Wir mussten einen Kommunikationstrainer bauen. Die Third-Years saßen in der Jury und spielten verschiedene Rollen, der Intellektuelle, der Schotte etc. Die Bewertung waren nicht wirklich ernst gemeint, es war einfach eine spaßige Runde und wir bauten den "Balancer", einen Konfliktlöser bei dem man auf einer wackeligen Platte steht. Derjenige mit dem man einen Konflikt hat steht auf der anderen Seite, er hat die Streichholzbox, man selber die Streichhölzer und wenn man Kompromisse eingeht und gut kommuniziert erreicht man die Mitte und zusammen kann man die Kerze anzünden. Doch wenn man nicht zusammen den Weg geht gerät die Platte außer Gleichgewicht und wackelt. ;)
Am nächsten Tag hatten wir weiter Gruppendiskussionen über Amoklauf, Integration, Grüne Revolution und ich hielt meinen Vortrag über Bewusstes Konsumieren. Ich hatte ein weiteres Einzelgespräch. "Du warst bei MUN ? Hältst du die UN für ein sinnvolles Organ" "Warum bist du vom Internat gegangen?" "Wie bist du zu Amnesty International gekommen" "Was findest du bei Amnesty am schwierigsten...?"
Abends stellten uns die Third-Years ihre Colleges vor, wir spielten typische UWC-Spiele, sangen UWC-Lieder. Das war echt eine so schöne Atmosphäre. Ich kam mir dennoch wie ein Hund vor dem eine Wurst am Strick vor die Nase gehalten wird, die er nicht essen kann.
Das ganze Wochenende war gefüllt mit interessanten Gesprächen. Viele Bewerber befanden sich gerade im Austauschjahr, kamen aus Dänemark, England, Chile, Thailand, viele waren multikulturell und jeder war total engagiert hatte außergewöhnliche Interessen und trotzdem nahm man sich nicht als Konkurrenz war.
Sonntag hatten wir eine letzte Gruppendiskussion, aßen zu Mittag und dann folgte schon die Verabschiedung. Henni und ich holten unser Starbucksbesuch in Frankfurt mit einem Fairtrade-Kaffee nach und fuhren schließlich planmäßig mit dem ICE zurück nach Leipzig.

Wie alles begann

Wo fange ich nur an ? Seit der 8. Klasse wollte ich eine International School besuchen.
Damals verbrachte ich einen Schnuppertag an der Leipzig International School. Alle kamen von Überall her und das faszinierte mich einfach.
Viele Jahre durchsuchte ich die ibo.org-Seite, schaute mir sämtliche Websiten von englischen Internaten, International Schools in Deutschland und Schulen weltweit an. Alle haten eine Sache gemeinsam, die meine Pläne zum scheitern verdammten. Tuition Fees oder selbst wenn sie großzügiger Weise staatlich waren die Boarding Fees. Hey es gab immerhin Stipendien "UP TO 50%" Aber das half mir bei jährlichen Kosten von über 20.000€ nicht wirklich viel.
Irgendwann stieß ich beim routinemäßigen Googlen auf UWC und irgendwie erinnerte ich mich, dass jemand aus meinem Internat auch irgendwo dahin gehen wollte, bis dahin sagte mir das aber nicht wirklich was.
Die UWCs machen sich zum Ziel Schüler aller Nationen und sozialer Schichten für 2 Jahre an den 12 Colleges zusammenzubringen und ihnen eine Bildung zu bieten, die weit über das Akademische hinaus geht. Vor allem soziale Werte sollen gestärkt werden. Der Wille nach Frieden und Gerechtigkeit, Völkerverständigung, die Wertschätzung von Unterschieden und Toleranz.
Wow, dachte ich. Bei den meisten Schulen geht es nur um Quoten, wie viel die Exams bestehen, wie viele die Aufnahmeprozedur bei Oxbridge bestehen... um akademischen Erfolg und Prestige halt. Und die Auswahl sollte unabhängig von finanziellen Mitteln erfolgen.
Als die neuen Bewerbungsunterlagen da waren machte ich mich also an die Arbeit. Hm, 2 Gutachten von einem Lehrer und einem Betreuer einer außerunterrichtlichen Aktivität.
Nach 3 Monaten in Neuseeland hatte ich den Entschluss gefasst mein Internat zu verlassen und auf eine normale Schule in Leipzig zu gehen. Woher sollte ich nur meine Gutachten bekommen? Die kannten mich ja alle gar nicht. Naja, nach 4 Monaten hatte ich dann doch 2 nette Menschen gefunden, die bereit waren ein paar Kreuze für mich zu setzen. Meine Lieblingsbücher, meine Interessen und meine Aufsätze schrieben sich von selber und 1 Woche vor Deadline landete alles in einem großen Briefumschlag im Briefkasten.
Zwei Monate quälenden Wartens folgten, am 19.Januar, es war ein Samstag kam ich schließlich von der Arbeit nach Hause und fand einen großen Briefumschlag auf meinem Klavier liegen. Kurzes Einatmen und dann schlitzte ich den Briefumschlag ohne Erbarmen auf. Juhuuuuuuuuuuuuuuuuuuu! Ich war eingeladen nach Bad Homburg zum AWW.